Der Name PECHSTEIN

von Gerd Pechstein - 13.02.2022

Nomen est omen

Man wird geboren, erhält einen Vor- und Zunamen und muss sich meist Zeit seines Lebens damit arrangieren. Mancher hat es nicht leicht damit, auch ich haderte zunächst. Sagte der Lehrer bei der Übergabe der Klassenarbeit doch ab und zu: „Gerd, wieder Pech gehabt“. Dass Name und Leistung, wenn auch im Scherz, derart verbunden wurden, wirkte auf den Jungen natürlich nicht gerade erhebend. Erst später in meiner Ahnenforschung, angeregt durch Fragen nach Verwandtschaftsbeziehungen zu der Claudia* oder dem Max*, ging ich dem Namenthema intensiv nach.

Die Forschung zu Herkunft, Bedeutung und Ersterwähnung des Namens förderte immer neue Überraschungen zutage. Sehr hilfreich waren für mich dabei die Arbeiten des Stollberger Familienforschers Volkmar Hellfritzsch, der in Sachsen zur Herkunft unseres Familiennamens forschte.

Aufgrund eines Namengutachtens und der Meinung des Genealogen Alfred Lindner (1896-1971), verbunden mit dem häufigen heutigen Vorkommen des Namens in Sachsen, ging ich davon aus, dass der Ursprung auch in Sachsen zu suchen sei.

Frühe Namensnennungen

Je mehr ich recherchierte, desto unwahrscheinlicher wurde diese Annahme. Auf erste Namensnennungen traf ich unter anderem am Rhein und in Süddeutschland (Bechstein). Die frühesten Namensnennungen von Pechstein fand ich im Süden (Südtirol, Österreich), wo heute jedoch der Nachname kaum noch vorkommt (siehe Genwiki). So fand ich im Archiv des Augustiner-Chorherrenstifts St. Florian in einer Urkunde vom 24.01.1188 die wohl erste Erwähnung: Marchwardus Pechstein aus St. Pölten. Am selben Fundort folgen drei Jahrzehnte später auf der Zeitachse dann auch ein Heinricus und Dithericus Pechstein. Damit war ich mit meinen Recherchen erstmals auf Namen gestoßen, die ich bisher noch nicht gefunden hatte.

Mit dem ersten Namensvertreter in Sachsen nähere ich mich nun der Region, in der meine Familie ihren Ursprung hat (siehe Herkommen meines Familienzweigs, AMF-Blog 12/2021). Denn nach den Quellen scheint hier der 1351 wahrscheinlich aus Pirna kommende Vikar der Domkirche zu Meißen, Ticzko (Dietrich) Pechstein, der erste Namensvertreter zu sein. Man muss bei den Erstnennungen auch bedenken, dass die breitere Einführung der Familiennamen in Sachsen erst um 1300 begann. Der Chronist von Geithain, Wolfgang Reuter (1931-2017), fand erstmalig 1357 eine namentliche Abgabenliste der Stadt Geithain/Sachsen im Stadtarchiv.

Herkunft und Bedeutung

Interessant sind auch die Meinungen hinsichtlich der Herausbildung des Familiennamens.  Unter den Namenforschern gibt es dazu keine einheitliche Deutung. In Österreich und Südtirol scheint es anfangs eine Ableitung von Flurnamen und aus der Pecherei gewesen zu sein. Bei der Pechgewinnung spielte der „Pechstein“, ein besonders geformter und bearbeiteter Stein zum Auffangen des Pechs, eine große Rolle. Die Tätigkeit des Teerschwelens wurde auf diesen sogenannten Pechsteinen ausgeübt. Davon sind die meisten aus Granit, und nur wenige aus Schiefer oder Sandstein.  Es gab Weinlagen mit dem Namen Pechstein (auch in Forst/Pfalz) und der Namenkundler Prof.  Jürgen Udolph meint z. B. den Namen aus dem Steinmetzhandwerk ableiten zu können, wo extrem schwarze Kiesel bearbeitet wurden. Die alte Herleitung von „Silex Piceus“, einer Übernahme aus dem Mittelhochdeutschen „Bechstein“ (Sächsisch „Pechstein“), auf die hier vielleicht auch Bezug genommen wird (siehe auch Grimm‘sches Wörterbuch), scheint mir aber nicht die richtige Variante.

Hellfritzsch hat m. E. die wichtigste Quelle des Namens gefunden. Er bezieht sich auch auf den Versroman „Wigalois“ von Wirnt von Grafenberg (um 1215 entstanden). Hier ist u. a. frei übersetzt zu lesen: „…sein Ross war zu einem/zum Pechstein erstarrt.“ Damit ist wohl das erstarrte Pech in der Pechpfanne gemeint. In dem Vers wird offensichtlich auch eine Pechsiederei beschrieben. Daraus folgt, dass unser Name mit großer Wahrscheinlichkeit von der Pechgewinnung abgeleitet wurde. Aber wie wir gesehen haben, wurde der Name bereits lange davor geführt.

Reisen zur Namensuche

Die Suche nach Bedeutung und Ursprung unseres Namens war für uns Impuls, viele Gegenden und Museen aufzusuchen. Dazu gehören die Pechstein-Klippen in Garsebach bei Meißen, die Kugelpechsteine im Tharandter Wald, die Pechstein-Weinlage in Forst an der deutschen Weinstraße mit Verkosten des Pechstein-Rieslings, das Bewandern des dortigen ehemaligen Vulkans Pechsteinkopf, ehemalige Weinberge in der Badener Flur bei Wien, aber auch das Museum in Zwickau, das sich dem Schaffen des Malers Max Pechstein widmet.

Noch kein Ende

Ich denke, unser Familienname entstand nicht an einem Ort, sondern wurde von anderen Namensvorkommen übernommen, als die Annahme eines Familiennamens wegen der Steuer oder Festlegung von Eigentumsrechten angeordnet wurde.

Da mein Spitzenahn um 1500 lebte, muss ich (oder andere) noch einige Generationen zurück recherchieren, um den ersten Namensträger Pechstein unserer Stammlinie zu entdecken. Erst dann könnten wir wohl der Auflösung des Rätsels um unseren Familiennamen noch einmal näherkommen.


*) Eisläuferin/Maler
**) Für die Angabe “1150 Pechstein in Lohr a. M.” gibt es offensichtlich keinen Beleg. Dies ergab meine Nachfrage beim Stadtarchivar von Lohr, der auch weitere Möglichkeiten geprüft hat.


Siehe auch Gerd Pechstein: Wie mein Weg zu den Ahnen begann
und Namenforschung.