Entdeckungen in Ebersdorf

von Karina Falk und Daniel Pfletscher - 05.08.2024

Das Jahrestreffen des Arbeitskreises Saale-Orla führte uns am 3. August 2024 nach Ebersdorf im Saale-Orla-Kreis. Der Ortsteil der 2023 zusammengeschlossenen Stadt Saalburg-Ebersdorf war schon lange als lohnenswertes Ziel auserkoren, hält er doch für Geschichtsinteressierte viele Entdeckungsmöglichkeiten bereit.

Als Tagungs- und Rückzugsort zwischen den Programmpunkten konnten wir das Comenius-Zentrum der Herrnhuter Brüdergemeine nutzen. Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf, der Gründer und Bischof der Brüdergemeine im sächsischen Herrnhut, heiratete 1722 Erdmuthe Dorothea Gräfin von Reuß-Ebersdorf, die Schwester seines Freundes Heinrich XXIX. (Reuß-Ebersdorf). Die Frömmigkeit der Ebersdorfer Gemeine bewog Zinzendorf, bald erste Brüder und Schwestern aus Herrnhut nach Ebersdorf zu entsenden. 1745 lebten dort schon etwa 400 Herrnhuter Brüder und Schwestern, die als Handwerker und Bedienstete im Schloss tätig waren, ein Waisenhaus und eine Schule betrieben. Die Gemeine erlangte per landesherrlichem Dekret 1745 ihre Selbständigkeit. Ein Jahr später wurde der Kirchensaal eingeweiht.

Karina Falk eröffnete das 36. Treffen des Arbeitskreises. In einer Vorstellungsrunde formulierten die Teilnehmenden, darunter auch einige neue Gäste, ihre Erwartungen an den Tag. Viele waren angereist, um den Ort und seine Historie kennenzulernen. Manche hatten ihre jüngst erforschten Ahnentafeln dabei, andere ihre komplette Familienforschungsdatenbank oder zuletzt Publiziertes. Einige erklärten aber auch ihren persönlichen Bezug zu Ebersdorf. Anwesend war beispielsweise ein Nachfahre von Hannß Jobst Thiem (1726 - 1771), der als Hochgräflicher Leibkutscher bei den Schlossherren angestellt war.

Dr. Heinz-Dieter Fiedler stand uns als Kenner der Ortsgeschichte und Mitglied der Brüdergemeine als Ansprechpartner zur Verfügung. Er führte uns in die Geschichte der Brüdergemeine ein, zeigte uns den Kirchensaal und führte uns schließlich in das Archiv der Gemeine. Die klein gehaltenen Räumlichkeiten bergen einen großen Schatz in Form historischer Unterlagen. Zu finden sind hier beispielsweise die Diarien der Brüdergemeine seit den 1740er Jahren und die Lebensläufe vieler Brüder und Schwestern. Sie sind angehalten, Lebensläufe zu schreiben, die dann später auf deren Begräbnisfeiern verlesen werden. Im Ebersdorfer Archiv liegen etwa 1300 dieser Lebensläufe, die Dr. Fiedler nicht nur verwahrt, sondern sich auch um deren Auswertung bemüht.

Ein kleiner Spaziergang führte uns dann zum Gottesacker der Gemeine, auf dem seit 1740 etwa 1700 Brüder und Schwestern in zeitlicher Reihenfolge ihres Heimgangs beerdigt wurden. Die schlichten Grabanlagen werden nicht, wie auf den meisten Friedhöfen üblich, nach einer gewissen Zeit aufgelöst. Viele der älteren und ältesten Grabsteine sind mittlerweile zwar nicht mehr lesbar, aber deren Erhalt ist ein bemerkenswerter Umstand.
Ebenfalls auf dem Gottesacker ist ein Gedenkstein zu Ehren der im Ersten Weltkrieg gefallenen Brüder zu finden. Eine Entdeckung, die wir im Nachgang des Treffens gleich noch dem Denkmalprojekt zur Verfügung gestellt haben, wo eine Kurzbeschreibung und die Namensliste nun zu finden sind.

Nach dem Besuch dieses friedlichen Ortes ermöglichte uns das Team des Park-Hotels eine Stärkung zum Mittag in thüringischer Manier. Auf dem idyllischen Zinzendorf-Platz, der das grüne Zentrum des für Herrnhuter Gemeinen typischen Ortsbildes prägt, genossen wir Spezialitäten vom Rost, entweder den herrlichen Sonnenschein auskostend oder im Schatten der Lesehalle, die ab 1880 von Gästen der Sommerfrische genutzt wurde und heute mit gespendeten Büchern und einer Replik des Gefallenendenkmals auf dem Gottesacker der Brüdergemeine zum Verweilen einlädt.

Nachdem wir Kraft getankt hatten, führte uns Frau Friedrich vom Schlossparkverein durch den riesigen Park, der 2021 auch als Außenstandort der BUGA auserkoren war – völlig zurecht, wie sich in den folgenden Stunden herausstellte. Frau Friedrich ließ uns viele Details dieses tollen Areals und seiner Umgebung entdecken: das Teichhäuschen am Pfotenteich, die Orangerie, die herrlich gelegene Parkschule und auch das Teehäuschen, in dem wir Zuflucht vor einem Regenguss fanden. Ein besonderer Platz in diesem Kleinod ist zweifelsohne das Grabmal der Fürstenfamilie, das Ernst Barlach erschaffen hatte.

Den Rest des Nachmittages verbrachten wir in gegenseitigem Austausch. Auch hatten wir die Möglichkeit, die Ausstellungsräume im Comenius-Zentrum zu besichtigen, u.a. zur Ortsgeschichte, zum Haus Reuß-Ebersdorf, der Herrnhuter Brüdergemeine und dem namensgebenden Philosophen, Pädagogen und Theologen Johann Amos Comenius (1592 – 1670).

Karina Falk

Mitglied: AMF 2465

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Daniel Pfletscher

AK Saale-OrlaBlog-Redaktion

Mitgliedschaften: AMF 2529, GFF 2698

E-Mail: danielp(at)posteo.de

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