Familiengeschichten in Ziegenrück erwandert

von Daniel Pfletscher - 27.10.2024

Ziegenrück, die fünftkleinste Stadt Deutschlands, war das Ziel unseres Arbeitskreises Saale-Orla am 26.10.2024. Kerstin und Steffen Höbelt führten auf einer Wanderung um das sehenswerte Städtchen an der Saale und durch den Ort, der Vielen beim Durchfahren der engen (Einbahn-)Straßen und beim Blick auf teils marode Bausubstanz und fehlenden Einzelhandel „abgehängt“ erscheint. Die einstige Touristenhochburg überzeugt nach wie vor mit ihrer Lage an der Saale, eingebettet in wunderschöne Landschaft, rührigen Gastronomen und einem weithin beachteten Wasserkraftmuseum.

Kerstin und Steffen zeigten uns unter wärmender Herbstsonne viele schöne Seiten Ziegenrücks. Historische Gemäuer, wie das vielfach umgebaute Rathaus oder die von außen unspektakulär wirkende, von innen überraschend hübsche evangelische Stadtkirche St. Bartholomäus und St. Nikolaus. Auch die Nähermühle, die auf bessere Zeiten wartet und die einstige katholische Kirche, mittlerweile zum Begegnungsort für Bewohner und Gäste umgenutzt, erkundeten wir innerorts am Wegesrand.

Umwerfend sind die schönen Ausblicke rund um die Stadt, wie von der Reißertsruh und der Marienquelle. Mit trittfestem Schuhwerk scheuten wir keinen Höhenmeter und wurden mit tollen Orts- und Naturansichten belohnt. Bei einer Aussichtspause genossen wir Kerstins Pausensnack: Plätzchen in Form von Ziegen, gebacken nach einem Rezept Hildegard von Bingens.

Für uns als Familienforschende waren Steffens und Kerstins Geschichten über ihre Ahnen besonders lebendig. Das schon 1654 erwähnte Hammerwerk Lämmerschmiede ist heute besser bekannt als Ludwigshütte, benannt nach dem späteren Besitzer Ludwig Franz von Breitenbauch. Hier wurde eine fünffache Urgroßmutter von Steffen geboren. Beim derzeitigen Wasserstand der vorbeifließenden Saale war nicht zu erahnen, dass hier bei Niedrigwasser Schlackefelder aus mehreren Jahrhunderten zu sehen sind.

Den Gerber Adolph Wilhelm Oppel, der ebenfalls in verwandtschaftlicher Beziehung zu den Höbelts steht, hielt es nicht lange in Ziegenrück. Nach wenigen Jahren wanderte er mit seiner Frau und den Kindern nach Amerika aus, stellte dann in Philadelphia Pferdesattel her und machte sich einen Namen als Baseball-König, da er als einziger Gerber die Lederüberzüge für die Bälle herstellen konnte (Vgl. Höbelt, Steffen: Adolph Wilhelm Oppel : der Baseball-König von Black Log Valley. - In: Heimatjahrbuch des Saale-Orla-Kreises, 32 (2024), S. 159–169). Welche Bekanntheit er in Übersee erlangte, zeigt auch, dass der Ort Oppelsville nach ihm benannt wurde.

Mit den Worten des schlesischen Lehrers und Schriftstellers Gustav Schröer aus dessen Buch „Heimat wider Heimat“ beendete Bernd Schneider, ein besonders heimatgeschichtlich interessierter Teilnehmer, die Wanderung - mit Blick auf die vorbeirauschende Saale auf der einen Seite und das Hotel am Schlossberg auf der anderen, wo wir den Tag bei kulinarischer Verköstigung und regem Austausch fortsetzten: „Er war weit gewandert, hatte manches schöne Fleckchen Erde gesehen, aber nie ein so wundervolles Zusammenklingen von Natur und Menschensiedlung, von Berg, Wald, Wasser und Wiesen.“

Daniel Pfletscher

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