Faszination Familienforschung

von Gerd Pechstein - 10.12.2021

Wie mein Weg zu den Ahnen begann

Vor etwa vierzig Jahren landete ein „Westbrief“ von einem Unbekannten namens Pechstein in unserem Briefkasten in Halle. Dies konnte unangenehme Folgen im Beruf haben, da Westkontakte nicht erlaubt waren. Doch die Neugier überwog, wir öffneten den Brief und eine Fülle Fragen zu Pechstein sprangen uns entgegen. Ein Ahnenforscher aus Bremen, jung, auf der „Jagd“ nach Familien, die Pechstein hießen, war der Absender.

Ich sprach mit meinem Vater darüber. Er suchte alle seine Urkunden, alte Fotos und seine Fotoalben aus der Militärzeit heraus. Letztere kannte ich nicht. Er bewahrte sie in einer verschlossenen alten Truhe im Keller auf. Sie konnten Ärger hervorrufen. Er war vor 1945 Berufssoldat, kein NSDAP-Mitglied, aber auf dem Album und auch auf den Fotos konnte man das Symbol der Nazis ab und zu entdecken. Das durfte man nicht besitzen. Er schwor mich darauf ein, niemandem davon zu berichten. Dann erzählte er mir an vielen Wochenenden, was er über seine Familie, die aus Geithain in Sachsen stammte, wusste, was er erlebt hatte, wer auf den Fotos zu sehen war und in welcher Beziehung sie zu unserer Familie standen.

Ich hörte mir alles an und machte aus heutiger Sicht den größten Fehler, den man in solch einer Situation machen kann: Ich schrieb mir nichts auf, keine Namen, keine Episoden, keine Orte, in denen noch weitläufige Verwandte lebten. Wenn man jung ist, meint man sich alles merken zu können, denkt nicht daran, dass die interviewte Person irgendwann nicht mehr gefragt werden kann.

Nach diesen Informationen musste ich nach Bremen die Mitteilung geben, dass wir nicht zu „seinen“ Pechsteins gehörten, übermittelte ihm aber unsere Daten. Als Dank schickte er mir seine Rechercheergebnisse: 15 Familienzweige Pechstein, wir wurden der 16. Zweig.

Ich legte alles weg. Die Angelegenheit war für mich erledigt. Ich hatte keine Zeit für die Ahnen. Erst nach 1990, als ich beim Aufbau des „Thüringer Wald-Kreativ-Museums“ wiederholt von Ahnenforschern, auch aus den USA, um Unterstützung und Recherche im Stadtarchiv gebeten wurde, begann ich langsam (die Betonung liegt auf diesem Wort) mich wieder für meine Familie zu interessieren. Begann zu sortieren, mich mit den Grundlagen der Recherche und der Aufbereitung der Ergebnisse in Büchern zu befassen, kontaktierte Verwandte, begann alle Unterlagen zu sichten und zu ordnen. Doch zwischenzeitlich verstarb mein Vater und ich hatte vergessen, ihn nochmals Wichtiges zu fragen. Auf die Frage, wer die Pflegeeltern seines Vaters, meines Opas Albin (+1936), in der Region Geithain waren, hätte nur er antworten können.

In den letzten 15 Jahren recherchierte ich in vielen Archiven, ersuchte Auskunft bei Behörden und Heimatgeschichtlern – alles erfolglos. Keiner weiß, wo Pflegschaftsunterlagen aus der Zeit um 1892 liegen könnten. – Dabei lernte ich viele gleichgesinnte, nette Menschen kennen, wie den Geithainer Heimatforscher Werner Pechstein. Wir trafen uns zu mehreren Gesprächen im „Kuhstall“, dem Treffpunkt seiner großen Familie und Lagerplatz seiner fotografischen Arbeiten über sieben Jahrzehnte, lernten viel über die Region und Zusammenhänge einiger Familienzweige Pechstein.

Auch Werner gehörte zu unserer Linie, wie ich herausgefunden hatte. Doch sein Zweig trennte sich Anfang des 17. Jh. von unserem. Interessant zu wissen, dass damit die Eiskunstläuferin Claudia Pechstein irgendwie eine Cousine zigsten Grades ist. Wir haben zwar ähnliche Gene, aber der sportliche Ehrgeiz ist bei mir nicht dabei. Dafür haben wir nichts mit dem Maler Max Pechstein zu tun. Auch Werner mussten wir enttäuschen. Sein Neffe hatte ein Wappen der Pechsteins gefunden und dies seiner Familie zugeordnet. Nach Recherchen in Wappenbüchern und nach Auskunft des Berliner Herold gehörte es jedoch zu meiner Linie. Nun ziert es meine Visitenkarte.

Peter Pechstein aus Bremen besuchte uns 2007. Auch ihm musste ich mitteilen, dass er nicht unserem Zweig angehört, seiner Familie nicht das Wappen zugeordnet werden kann. Aus heutiger Sicht, was noch zu beweisen ist, scheinen aber unsere Zweige um 1500 aus einer Familie zu stammen.

Ich nehme an, so wie die Familienforschung bei mir begann, erging oder ergeht es Vielen. Man macht Anfängerfehler, wenn man nicht die Erfahrungen anderer beachtet. Dies beginnt bei der Recherche in Kirchen-, Gerichtsbüchern und anderen Akten damit, dass man nicht korrekt alle Daten notiert, einschließlich der Quellen.
Heute ist die Recherche mit Archion oder Ancestry leichter, man braucht nicht vor Ort in staubigen Archiven zu recherchieren. Man braucht keine Fotos aus Fotoalben herauszunehmen, sondern fotografiert einfach mit dem Smartphone oder der Digitalkamera, kann damit auch schnell einen unlesbaren Kirchenbucheintrag zum Entziffern mit nach Hause nehmen.

Doch dabei ist auch das besondere Flair des Forschens vor Ort verloren gegangen, die Gespräche mit dem Pfarrer oder Archivar, die Vorstellung, dass der Staub Jahrhunderte alt ist, vielleicht der Ahn beim Eintragen im Kirchenbuch dem Pfarrer gegenübergesessen hat.

Mehr zu Pechstein und damit Zusammenhängendem auch in dem Buch/Ebook Ein Pechstein auf dem Pechstein saß und dachte über Pechstein nach.

Beginn der Ahnenliste Albin & Geschwister

Zur Fortsetzung der Ahnenliste (Website des Autors). Dort auch der folgende Hinweis:


Ich weise daraufhin, dass es sich um Daten handelt, die ich vorwiegend durch Kirchenbuchrecherche erhielt, die aber auch aus Unterlagen der Staats- und Stadtarchive stammen, jedoch auch aus Zuarbeiten zuverlässiger Forscher, deren Daten teils aus der Recherche von Gerichtsbüchern sowie anderen Urkunden und Akten stammen– Ich möchte hiermit allen danken, die mich bisher vorbehaltlos unterstützten und auch denen, die aus dem Studium dieser Übersicht mir zukünftig Hinweise geben oder mir andere Hilfe zuteil werden lassen.