Namenforschung

von Peter Teuthorn - 01.01.2022

Familienforscherinnen und -forscher stellen sich irgendwann die Frage nach der Herkunft ihres Namens. Wessen Personalausweis auf Müller, Maier, Weiß, Bach oder ähnlich eindeutige Namen lautet, hat es einfach. Aber schon wer Forker, Pechstein, Schacht, Sauerzweig, Siebert, Rehm, Teuthorn oder Vincenz heißt, hat seine Neugier wahrscheinlich in einem einschlägigen Lexikon, zum Beispiel dem Bahlow, zu befriedigen gesucht, dann aber schnell erkannt, dass ein solches Namenlexikon keine oder nur geringe Erkenntnis brachte. Die Fülle der Namenvarianten, die Komplexität ihrer Wandlung von einem oft weit zurückliegenden Ursprung zur heutigen Form und viele andere schwer übersehbare Einflüsse müssen zwangsläufig zu Lücken oder unbefriedigenden Verkürzungen eines Erklärungsversuchs führen.

Wer im nächsten Schritt googelt begegnet sehr schnell dem wohl bekanntesten Namenforscher Prof. Udolph. Niemand, der schon einmal life oder per Youtube einen seiner mitreißenden Vorträge erlebt hat, wird sich seiner Sachkenntnis und seinem Charisma entziehen können. Die Palette zu Auskunftsmöglichkeiten und damit für Forschungsansätze ist aber viel breiter. Es lohnt sich die vielfältigen Quellen zu befragen. Die gefundenen Ergebnisse können trotzdem oft mehrdeutig bleiben. Denn die Namen sind meist viel früher entstanden als die uns zugänglichen schriftlichen Quellen wie Gerichtsakten und Kirchenbücher. Wie man hier methodisch vorgehen kann wird uns in einem späteren Beitrag Volker Sauerzweig zeigen.

Begriffe und Quellen im Netz

Bevor man sich in die Fachliteratur stürzt, ist es empfehlenswert, sich unter Namenforschung mit den meist gebrauchten Begrifflichkeiten vertraut zu machen. Schnell wird klar, dass wir uns hier auf dem Feld der Sprachwissenschaft befinden. Ein Nukleus der Namenforschung ist die Universität Leipzig. Hier hatte Jürgen Udolph seinen Lehrstuhl, hier wurden die nach meiner Erinnerung vor rund zwei Jahrzehnten von Christoph Stoepel entwickelten Namenverbreitungskarten zuerst eingesetzt, und von hier aus entstand die für unser Thema wichtige Namenberatungsstelle. – Ein anderer Schwerpunkt ist Mainz mit den Langzeitprojekten Digitales Familienwörterbuch Deutschlands (DFD) und Der Deutsche Familiennamenatlas (DFA).

Allgemeine und regionale Quellen

Unser Vereinskollege Bernd Siebert beschäftigt sich als Ortsheimatpfleger von Bernshausen, Gemeinde Seeburg, Landkreis Göttingen, seit Jahren mit der Ortsgeschichte und anderen Themen zu diesem Ort. Unter anderem hat er die Namen der dort lebenden Menschen erforscht und in den Blättern für Heimatkunde – Bernshausen, Ausgabe 82, Februar 2020, veröffentlicht. Im kommenden Jahr soll die zweite Ausgabe zu diesem Thema folgen. Dazu hat er die von ihm benutzte Literatur genannt, nämlich

  • Duden Familiennamen, 2000
  • Naumann, Horst: Das große Buch der Familiennamen
  • Urmes, Dietmar: Etymologisches Namenlexikon, Wiesbaden 2006
  • Dtv-Atlas Namenkunde, München 1998 sowie spätere Auflagen
  • Müller, Erhard: Personennamen auf dem Eisfeld, Heiligenstadt 1988
  • Gottschalk, Max: Deutsche Namenkunde, München 1932
  • Heintze/Cascorbi: Die deutschen Familiennamen, 7. Auflage Hann. Münden 1933, Nachdruck Hildesheim 2004

Eine umfangreiche Bibliographie findet sich auch im Genwiki des Vereins für Computergenealogie / CompGen unter dem GenWiki-Artikel Familienname. Dort auch unter der Kategorie:Familienname eine Fülle von Namen, teilweise mit Erklärungen.

Wörterbuchnetz

Namen haben sich sprachgeschichtlich früh gebildet, sind von Generation zu Generation weitergegeben worden und haben sich somit zusammen mit der sich ständig verändernden Sprache weiterentwickelt. Damit lohnt immer ein Blick in die im Wörterbuchnetz zusammengefassten historischen Wörterbücher. Wegen seiner umfangreichen Belegstellen zum Vorkommen der gebrauchten Wörter kann besonders der Digitale Grimm eine Hilfe sein. Hier ein Fund des Autors, dessen Name unter anderem in den Varianten Tuthorn, Tutehorn, Tüthorn, Düthorn, Didhorn vorkommt.

Latinisierung

Eine Mode der Frühen Neuzeit, insbesondere bei Klerikern und Humanisten, war die Gräzisierung und Latinisierung von Namen, Beispiele bei Wikipedia und im GenWiki. Weil Eins-zu-eins-Übersetzungen nicht immer möglich waren, griff man oft zu gewaltsamen Lösungen. Ein solches Beispiel für einen Pfarrer in der Familie nannte uns unsere Kollegin Charlotte Kickton mit Lumpe zu Lympius.

Künftige Herausforderungen

Die jahrelange politisch bedingte Ansage, Deutschland sei kein Einwanderungsland, ist inzwischen Geschichte. Eine erfolgreiche zweite Generation ist nun in Politik, Wissenschaft und Journalismus sichtbar geworden. Wird eine dritte Generation nach Aline Abboud, Shakuntala Banergee, Omid Nouripour, Julia-Niharika Sen, Özlem Türeci und anderen Familienforschung betreiben? Die damit verbundene Herausforderung an die Namenforschung wird bereits im zweiten Halbband der „Familiennamen im Deutschen“ behandelt. Der nach akademischem Brauch Jürgen Udolph zum 65. Geburtstag zugeeignete Band mit dem Untertitel Familiennamen aus fremden Sprachen im deutschen Sprachraum ist als PDF zugänglich und verfügt auf den Seiten 576-673 über einen umfangreichen Namensindex. Immer noch lebt im universitären Bereich die Tradition des Latein fort. Hier mit Onomastica Lipsiensia / Leipziger Namenforschungen.

Wie geht es weiter?

Die Blog-Redaktion erhielt seitens unserer Vereinsmitglieder mehrere Manuskripte zu jeweils erforschten Namen. Daraus entstandene Beiträge werden in Kürze in knapper Folge hier zu lesen sein. Bleiben Sie also neugierig! Möchten auch Sie Erkenntnisse zu Ihrem Namen mitteilen? Dann schreiben Sie an blog(at)amf-verein.de.