Vor 360 Jahren getauft: Patenermittlung durch Searching by Serendipity

von Herman Kühn - 30.09.2020

Alles begann mit dem Taufeintrag von Johann Christian Stoltze (1660–1709), zu dem ich die Paten näher bestimmen wollte. Taufregister der Kirchgemeinde Zittau, Jahrgang 1660:

Wie man an den Ergänzungen in eckigen Klammern erkennt, kam ich bei der letzten Patin nicht weiter. In dem Beitrag von Erich Pröwig in der Mitteldeutschen Familienkunde 1989 zur Genealogie von zwei Familien von Kohlo in Zittau konnte ich keine Dorothea, geb. von Kohlo ermitteln. Also blieb die Suche nach ihrem Mann, immerhin Dr. med. in Großglogau. Um es kurz zu machen, die Google-Suchen „Heinrich Hierling“, „Glogau Hierling“ und auch „Hierling Dorothea“ ergaben keine Ergebnisse, denen sich nachzugehen lohnte.

Dann fiel mir ein, dass Hierling ja eine Doktorarbeit in der Medizin geschrieben hatte, ergo auch in dem entsprechenden Katalog zu finden sein müsste. Also startete ich im “Verzeichnis der im deutschen Sprachraum erschienenen Drucke des 17. Jahrhunderts (VD 17)“ eine neue Suche. Allein der Familienname Hierling führte auch hier zu keinem Ergebnis. Eine Suche mit der Stadt „Glogau“ ergab in der Anzeige über 200 Treffer.

Die Suche im Katalog bietet aber eine Möglichkeit, eine Trefferzahl um Suchbegriffe einzugrenzen oder Suchbegriffe auszunehmen. In meinem Fall wählte ich die Möglichkeit der Eingrenzung und grenzte die Suche innerhalb des Begriffes „Glogau“ mit dem Vornamen „Heinrich“ ein, was die Trefferanzahl des Suchergebnisses erheblich reduzierte.

Diese Möglichkeit verbirgt sich ein wenig versteckt mit dem Registerpfeil nach „Suchen [und]“. Durch Anklicken der gewünschten Option innerhalb des Popup-Menüs wählte ich „Eingrenzen“ aus.

Danach verschwindet das Popup-Menü und gibt die Suchzeile wieder frei (der alte Suchbegriff bleibt dabei bestehen). Ich beließ es vorliegend bei der Kategorie „[ALL] Alle Wörter“, überschrieb das bisherige Suchwort (Glogau) mit „Heinrich“ und klickte dann auf „Suchen“.

Danach erscheint als Antwort bei „Ihre Aktion“ was im Hintergrund passiert ist:

Das Suchergebnis für „Glogau“ wurde eingrenzt mit dem Suchbegriff „Heinrich“ und bietet jetzt eine durchsehbare Menge an Treffern.

Bei der Titelaufnahme einer Leichenpredigt für einen „… Henrici Fierlingii, Utriusq[ue] Medicinae, Doctoris …“ gedruckt im Jahre 1658 mit dem Link auf ein Digitalisat der Staatsbibliothek zu Berlin wurde ich stutzig. Schon objektiv waren die bei der Patin stehenden Merkmale erfüllt: die verstorbene Person hieß Heinrich mit Vornamen und das Druckjahr (= Todesjahr?) lag vor dem Taufjahr, von der Promotion als Mediziner ganz zu schweigen. Also hieß der Familienname FIERLING, statt Hierling und bei der Person handelte es sich um Heinrich Fierling (1607–1657).

Nun folgte der Klick auf die digitalisierte Leichenpredigt und innerhalb derselben die Suche nach dem Lebenslauf, der hier unter „Personalia“ glücklicherweise vorhanden ist. Darin waren Angaben zur Heirat von Heinrich Fierling zu finden:

Der Druckfehler des Familiennamens des Vaters ließ sich aufgrund seines Vornamens sofort auflösen, heißt es doch in dem genannten Beitrag von Pröwig auf S. 265:

Damit wird auch die verwandtschaftliche Beziehung der dritten Patin zum zweiten Paten aus der Familie von Kohlo ersichtlich, es war ihr Onkel, der unter B IV 1, 11. genannt wird. Auch lässt es wohl den Schluss zu, dass Dorothea Fierling nach dem Tod ihres Mannes nach Zittau gezogen ist. Für Jacob von Kohlo erfolgt nicht nur die Ergänzung einer Ehe, sondern auch noch der Name einer Tochter. Allerdings konnte ein Begräbniseintrag von Dorothea Fierling in Zittau (bisher) nicht belegt werden.

Warum wurde im Titel der englische Begriff Serendipity gewählt? Nun, weil mir das Ergebnis dieser ursprünglichen Suche eine neue Erkenntnis erbracht hat, die ich gerne mit anderen teilen möchte.

Ist mir die Nutzung eines Kataloges aufgrund meiner früheren Profession als Bibliothekar vertraut, so war mir bisher nicht bekannt, wie der Unterschied zwischen einer Leich(en)abdankung und einer Leichenpredigt abgegrenzt wird.

Im Katalog gefunden hatte ich die Leichenpredigt des Glogauer Pastors Sigismund Pirscher († 1668). Besonders in der frühen Neuzeit sind christliche Leichenpredigten ein wichtiges und breitenwirksames Medium der Auseinandersetzung mit dem Tod gewesen. Die Leichenpredigt wird dabei von einem Pfarrer vorgetragen und ist exegetisch und theologisch ausgerichtet. Oftmals erscheint diese Leichenpredigt im Druck (wie hier oft auch verspätet). Im angehängten Personalteil (Personalia) wird dann Bezug genommen auf die Lebensdaten der verstorbenen Personen bis hin zu ausführlichen genealogischen Darstellungen und einer ausführlichen Krankengeschichte.

Daneben gibt es von dem Dichter Andreas Gryphius auf seinen Freund Heinrich Fierling eine Leichabdankung, auch Parentation genannt. Eine Leichabdankung wird von einem weltlichen Redner vorgetragen, ist daher säkular orientiert und soll dem Zuhörer oder Leser die verstorbene Person (wieder) ins Gedächtnis rufen, durch Darstellung seines Lebens, seines Schicksals und seines Wirkens  in der Zeit. Wie gerade bei der Leichabdankung von Gryphius auch auf die Lebenssituation des Verstorbenen als Arzt eingegangen wird, kann man nachlesen bei: Johann Anselm Steiger: Andreas Gryphius‘ Leichabdankung auf den Arzt Heinrich Fierling, Sigismund Pirschers Leichenpredigt und die Theologia Medicinalis, in: Daphnis Bd. 38 (2009), S. 309-367.     

Ein weiteres Ergebnis war der Fund dieser digitalisierten Dissertation von Claudia Zonta: Schlesier an italienischen Universitäten der Frühen Neuzeit 1526–1740.


[1] richtig muss es allerdings heißen „Cap. 7, von gelehrten Zittauern“, vgl. Johann Benedict Carpzov, Analecta Fastorum Zittaviensium … Zittau/Leipzig 1716, § 4, S. 133. Hier irrt Carpzov allerdings, was die Übernahme des Todesjahres (hier 1639) angeht. In der LP auf seinen jüngeren Bruder Anton von Kohlo (1597–1674), dem o.g. zweiten Paten, ist der Todestag angegeben mit 11.2.1618.

Hermann Kühn

Mitgliedschaften: AMF 2629, OLGdW

E-Mail: hpokahn(at)online.de