Ortsfamilienbuch Lockwitz & Nickern

von Matthias Daberstiel - 26.10.2021

Nach zweieinhalb Jahren Arbeit am ersten Ortsfamilienbuch muss ich sagen:  Ich habe die Dimension des Projektes von Anfang an unterschätzt. Der Gedanke, ein Ortsfamilienbuch zu schreiben, war schon länger da. Ich selbst hatte von den badischen Ortssippenbüchern enorm profitiert und Frank Fuchs, der lange Zeit die Veröffentlichung der Mitteldeutschen Ortsfamilienbücher betreut hat, aber leider viel zu früh verstorben ist, bestärkte mich darin, das Projekt lieber eher als später zu beginnen.

Von der Ortschronik zum Ortsfamilienbuch

Altlockwitz (Quelle: Heimatfreunde Lockwitz)

Die Wahl des Ortes fiel auf meinen Heimatort Lockwitz. Erstens gibt es noch erschreckend wenige Ortsfamilienbücher in Sachsen. Zweitens hatte ich als Mitglied der Heimatfreunde Lockwitz Zugang zu bisher unveröffentlichtem Material und drittens hatte ich sogar Vorfahren in Lockwitz und wohne seit zehn Jahren dort.

Die Stammbäume der Lockwitzer und Nickerner Familien waren noch nie Bestandteil historischer Forschung, dabei gibt es sehr viele Ortschroniken. Diese Lücke sollte mein erstes Ortsfamilienbuch schließen. Leider ist das erste Lockwitzer Kirchenbuch von 1623-1757 bei einem Pfarrhausbrand 1756 verbrannt. Ich fand aber den Zeitraum von 150 Jahren (1757-1907) für das erste Buch angemessen. Nie hätte ich mir vorstellen können, dass es mehr als 33.000 Namen umfassen wird.

Tipp: Recherche begrenzen

Ich begann vor zweieinhalb Jahren mit den Personenstandsunterlagen von 1876 bis 1907, die damals gerade bei Ancestry bequem von zu Hause aus zugänglich geworden sind. In kleinen Nachtschichten, denn ich bin noch berufstätig, begann ich, täglich Familien zu erfassen. Die einfachen indexierten Suchmöglichkeiten bei Ancestry gaben mir auch die Chance, nach Kindern von Lockwitzern und Nickerner Bürgern zu suchen, die nicht in Lockwitz geboren wurden, so aber einen Bezug zu Lockwitz hatten. Dadurch wuchs die Datei, die ich gleich mit Hilfe der Software Ages 2.1.0 erstellte, erheblich an. Insgesamt wurden so über 400 Quellen genutzt. Hätte ich mit dem ältesten Kirchenbuch angefangen, wäre ich wohl nur bei den dort zu findenden Angaben geblieben.

Als ich mit den Standesamtsregistern nach einem Jahr fertig war, entschied sich die Landeskirche Sachsen, ihre Kirchenbücher bei Archion (endlich) zu veröffentlichen. So konnte ich fließend am eigenen Rechner weiterarbeiten. Nicht auszudenken, wie lange es gedauert hätte, die Original-Unterlagen erst im Kirchenbuchamt (mit Wartezeiten von einem halben Jahr) auszuwerten und dann zu Hause in mein Ahnenforschungsprogramm zu übernehmen. Dann hätte mich diese Arbeit vermutlich 25 Jahre gekostet.

Mit Ages arbeite ich seit 2003, das war ein Vorteil. Die neue automatische Plausibilitätsprüfung in der Betaversion 2.1.0 erwies sich auch als Glücksfall, weil ich so (hoffentlich) fehlerarm arbeiten konnte. Auch die komfortable Suchfunktion half, die richtigen Verwandtschaften schnell zu finden oder plausibel abzuleiten. Der Datenbestand wurde zusehends größer. Deshalb verzichtete ich auch auf die Taufpaten, zumal diese kaum Rückschlüsse auf die Verwandtschaft ermöglichten. Die Lockwitzer Pfarrer hatten nämlich die Eigenart, sehr akribisch die Familienverhältnisse aufzunehmen, nötigten sogar den Müttern von unehelichen Kindern erfolgreich eine Angabe zum Vater ab. Es ist sogar dokumentiert, dass ein Mann sich auf dem Sterbebett noch zu einem Kind bekannte, was zu dem Zeitpunkt schon erwachsen war.

Zweieinhalb Jahre kontinuierliche Datenerfassung

Altnickern 1941 (Quelle: M. Daberstiel)

Als ich die letzte Person erfasst hatte, waren zwei Jahre vergangen. Zusätzlich glich ich jetzt noch die vorliegenden Chroniken mit dem Ortsfamilienbuch ab und nahm der Vollständigkeit halber auch noch die ältesten Lockwitzer und Nickerner Bürger aus dem Kirchenbuch Leubnitz von 1566 bis 1623 mit auf - weitere 791 Namen. Und dann stand die Frage: Wie wird daraus jetzt ein Buch?

Ich entschied mich nach einigen Tests mit den Ausgabemöglichkeiten von Ages, noch eine Software anzuschaffen: OFB - 7.7.3 von Diedrich Hesmer. Mit Hilfe seines Programms und einiger selbst geschriebener Makros in Word konnte ich eine ansprechende Form finden, die auch Datenschutzaspekte berücksichtigt und Familiennummern enthält. Familiennummern machen das Zurechtfinden in einem Buch dieser Größe überhaupt erst möglich. Ein Ortsfamilienbuch nach dem Vorbild von Manfred Wegele ohne Familiennummern hätte bei 33.000 Namen unzählige Redundanzen enthalten. Gerade der Online-Vortrag von Manfred Wegele zum Thema war sehr hilfreich für mich.

Erst in Buchform und dann digital

Den Plan, ein reines digitales Ortsfamilienbuch zu veröffentlichen, hatte ich verworfen. Viele Details zur Ortsgeschichte und Informationen aus den Chroniken hätte ich sonst auch nicht mit einbringen können. Das Ortsfamilienbuch hat deswegen auch einen Teil von 50 Seiten zur Ortsgeschichte mit teilweise bisher unveröffentlichten Informationen und Bildern, beispielsweise zu den Mühlenbesitzern von Lockwitz. Hartmut Ehrhardt hatte dem Heimatverein seine bisher unveröffentlichte Forschung dafür zur Verfügung gestellt.

Thomas Werner, der am digitalen Ortsfamilienbuch Kreischa arbeitet, bin ich sehr dankbar für die guten Tipps zu seinem Online-OFB. Die Kreischaer Bürger in Lockwitz und Nickern befinden sich deshalb bereits in seinem digitalen Ortsfamilienbuch. Eine digitale Version des OFB von Lockwitz kommt aber erst später. Für das digitale Namens- und Ortsverzeichnis ist aber bereits eine GenWiki-Seite angelegt, die Michael Johne freundlicherweise angelegt hatte.

Das Buch ist als book on demand im Cardamina Verlag erhältlich, der als einziger Verlag das umfangreiche Manuskript in einem Band drucken konnte. Auf einer eigens erstellten Website sind viele weitere Informationen zu finden.

Das nächste OFB ist in Arbeit: Röhrsdorf, Borthen, Burgstädtel

Und natürlich, wer einmal damit angefangen hat und die Mühe nicht scheut, macht natürlich weiter. Mein nächstes Ortsfamilienbuch wird das für Röhrsdorf bei Dohna von 1571 - 1890 mit den Orten Borthen und Burgstädtel. Diese Orte grenzen an Lockwitz und Kreischa. Die ältesten Kirchenbücher sind bei Archion zu finden und für die Kirchenbuchlücke von 1779-1876 bin ich mit dem Pfarramt über historische Unterlagen bereits in Kontakt. Außerdem bin ich Mitglied im Heimatverein Röhrsdorf geworden. Da ist für mich vielleicht die wichtigste Erkenntnis: Heimatforschung und Familienforschung müssen für ein Ortsfamilienbuch zusammengebracht werden.